SROKA



R E Z E N S I O N

Peter Sroka , Der Niedergang von Silberberg in den Jahren 1946 bis 1965.

In: Przerwa, Tomasz; Festung Silberberg  III: Die Stadt und die Festung, Breslau 2010, S. 96-105 [Mitherausgeber: G. Podruczny]  = SBIII, S. 96-105.

Peter Sroka, ein polnischer Historiker, beschreibt in einem Aufsatz über die Zeit nach der Vertreibung der Deutschen minutiös den rechtlichen und ökonomischen Niedergang des ehemaligen Städtchens Silberberg in dem Zeitraum von 1946 bis 1965.
In einem kurzen Abriß stellt er die Geschichte Silberbergs von der Blütezeit im 16. Jahrhundert, den verheerenden Kriegen im 17. bis 19. Jahrhundert bis zur den Anfängen des Tourismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts dar.
War die Befestigung anfangs ein „Fluch“, der viele Kriegshandlungen nach Silberberg zog, so war die Erhaltung und Restaurierung der Festung in den dreißiger Jahren eine wichtige Voraussetzung zur touristischen Entwicklung der Stadt.
Die Stadt, charmant am Fuße der Festung Friedrich des Großen gelegen, hatte sich schon zur Jahrhundertwende zu einem attraktiven Touristenziel entwickelt. Der erste Weltkrieg und die folgenden politischen und wirtschaftliche Turbulenzen nach seinem Ende bis zur Weltwirtschaftskrise haben die Stadt schwer getroffen.
Die schlimmsten Zeiten sollten jedoch erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kommen, danach erlebte der Silberberg einen tiefen und mehrphasigen Niedergang.
Zum ersten Mal in seiner Geschichte verlor es seine Stadtrechte. Nach der Ausplünderung und Vertreibung der deutschen Einwohner und dem Zusammenbruch der lokalen Industrie war die Stadt stark entvölkert.
Dies führte nicht nur zum Zusammenbruch der städtischen Infrastruktur, auch hatte Silberberg ihre Bedeutung als Reiseziel verloren. Diesen Vorgängen nachzugehen ist das Ziel von Sroka. Nach dem katastrophalen Ende des III. Reiches und den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz begann unverzüglich die Organisation der Vertreibung der Deutschen. Die praktische Umsetzung begann im folgenden Jahr 1946 – ein entscheidendes Jahr für Silberberg.
Schon im Jahr 1946 (wahrscheinlich im August) nahm man dem Ort seine Stadtrechte. Auffallend ist, dass Sroka die inhumane Behandlung und die ökonomische Exploitation der Deutschen kaum erwahnt. Vielmehr sieht er diesen Geschichtsprozeß allein aus der polnischen Perspektive, obwohl gerade für die Frühzeit wichtige deutsche Quellen existieren, die auch publiziert sind (z.B. in: Kollewe, Felkel: Gesammeltes über Stadt und Festung Silberberg, Hamburg 2000, AKA14).

Gebäudereste in Silberberg im Jahr 2012.

Nach Sroka waren die wenigen polnischen neuen Bewohner Silberbergs waren nicht mit der Degradierung der Stadt zum eingemeindeten Dorf einverstanden und organisierten unter der Leitung von Mieczyslaw Stawicki eine Sitzung am 25.2.1947 zum Thema der verlorenen Stadtrechte, da die Selbstverwaltung Silberbergs durch diesen Rechtsakt stark eingeschränkt war und die Finanzierung einer eigenen Verwaltung unmöglich wurde. Die vorgesetzten Behörden lehnten jedoch eine Eigenverwaltung Silberbergs ab und so kam es, dass die ehemalige Stadt in die ländliche Gemeinde Peterwitz – wie auch Schönwalde (in der Verwaltungsreform von 1954) – eingemeindet wurde. Noch im Jahr 1954 hat der neue Verwaltungsbereichsleiter der Grundschule Waclaw Bolechowski vorgeschlagen, in Silberberg eine separate Einheit einer Verwaltung einzurichten – leider ist der Vorschlag abgelehnt worden, obwohl es juristisch möglich gewesen wäre.
Als Voraussetzung dafür galt die Bedingung, dass bei kompakten stadtähnlichen Siedlungen mindestens zwei Drittel der Einwohner eine Existenz außerhalb der Landwirtschaft inne hatten. Jedoch lag die Mindestgröße bei 1000 Einwohnern, die das polnische Silberberg bei weitem nicht erreichte. Insbesondere die Zerstörung von fast 50 Prozent der Stadthäuser, die Vertreibung der Deutschen und die Liquidierung großer Teile der Silberberger Industrie und des Handels haben dazu geführt, dass 1947 nur noch etwa 350 Einwohner in Silberberg ansässig waren (FMR). Die vorher genannten Argumente werden bei Sroka nicht erwähnt.
Im Jahr 1959 scheiterte ein weiterer Versuch in Silberberg eine eigene „Stadt“-Verwaltung zu etablieren. Nach Sroka fehlten jetzt nur wenige Einwohner, um Silberberg die Stadrechte zu verleihen. Somit ist zu konstatieren, dass die Stadtrechte Silberbergs aufgrund des demografischen Niederganges nicht wieder erteilt wurden. So hat die unkluge, inhumane und unnötige Politik der Vertreibung der Deutschen die Erteilung der Stadtrechte verhindert.
Während im Jahr 1939 Silberberg eine Bevölkerung von 1154 besaß, hatte Silberberg Ende 1946 nur noch 550 Einwohner (nach deutschen Quellen 356 zu Beginn des Jahres 1947).
In dieser Zahl von 550 Einwohnern – nach Sroka – gab es 360 sogenannte „Heimkehrer“ aus den verlorenen ostpolnischen Gebieten. Aus dem zentralen polnischen Staatsgebiet kamen 165 Personen und 25 Personen waren deutscher Herkunft. Jedoch schon zwei Jahre später sank die Einwohnerzahl auf 320 und der Besucher der Stadt Mieczyslaw Orlowicz stellte fest, dass die ehemalige Bergbaustadt ‚fast verlassen‘ erschien.
Nicht nur die Verminderung der Bevölkerung und der Zusammenbruch der lokalen Industrie in den 40er Jahren waren zu konstatieren, auch die zentralörtliche Funktion der Stadt Silberberg ging verloren. So blieb die Pfarrstelle der katholischen Kirche seit 1952 unbesetzt und die Silberberger Katholiken wurden fortan von Schönwalde aus betreut. Aufgrund der schwierigen ökonomischen Situation in Silberberg gingen viele Einwohner im Umland oder in Frankenstein zur Arbeit. Erst als sich die genossenschaftliche Handels- und Produktionsorganisation „Spolem“ in Silberberg etablierte waren erste ökonomische Lichtblicke zu verzeichnen. Der Ausbau von „Spolem“ auf mehrere standorte in Silberberg führte auch zu einem leichten Bevölkerungsanstieg in Silberberg, sodaß im Jahr 1961 schon 750 Einwohner, etwa 65% des Vorkriegsstandes, in Silberberg gezählt werden konnten. Eine weitere Zunahme war auch – ohne größere Neubauvorhaben – kaum möglich, da durch die Zerstörung von Wohnungen und der städtischen Infrastruktur verlassene Gebäude verfielen und den Plünderern zum Opfer gefallen waren.
Nach deutschen Augenzeugenberichten war eine „Hauptursache“ für den Verlust der Bausubstanz die „Gewinnung“ von Feuerholz. Zuerst wurden die Balken der Dächer demontiert, später folgten die Treppen und Fenster. Das übrige tat dann die Witterung und innerhalb weniger Jahre wurde aus einem ansehnlichen Stadthaus eine Ruine. Einen eindrücklichen Bericht überliefert Franz Jurczyk in den 50er Jahren (AKA14, 6f): „Das Städtchen bietet heute mit seinen Schutthalden, mit seinen verfallenen Häusern und mit seinen verwahrlosten Straßen und Plätzen einen jammervollen Anblick. Über die Ursache dieser Zustände braucht man sich nicht zu wundern. Silberberg zählt jetzt etwa 350 Einwohner, also ein knappes Drittel seiner früheren Bevölkerung. Die unbewohnten Gebäude sind herrenloses Eigentum …. als ich Silberberg verließ, befand sich gerade das Haus von Fräulein Klara Bittner im Abbruch. Dort sollen die Polen angeblich auch noch gute Funde gemacht haben. Wenn wir dann die Sommerseite hinaufgehen, finden wir noch als Schutthaufen wieder: die alte katholische Schule und das Haus von Kuhnt, die Häuser von Installateur Weigelt und Tischlermeister Welzel, von Geschw. Beck und Paul Grammel, Heinrich Dinter und Julius Springer. In der Oberstadt fehlen die Häuser von Reinhold Faul (Langnickel), die alte Bäckerei, Graner, Scharlach, Josef Klar und die Landwirtschaft von Niesel …. Die Querkasernen stehen zwar noch, sind aber nach der Einstellung der Hinze-Fabrik völlig ungenutzt. Türen, Fenster und Treppen sind allmählich völlig verschwunden, ein Abbruch steht wohl bevor. In der Mittelreihe stehen außer dem Haus von Anders nur noch die Häuser von Peuckert, Hilscher, das Haus des Wasserversorgungs-Zweckverbandes, die Gastwirtschaft Olapinski und die Fleischerei Rauer. Alle übrigen Grundstücke sind Schutthaufen; ein besonders großer Schuttberg ist das vor zwei Jahren abgebrochene Hotel „Kaiserhof“.

Der Verlust historischer Bausubstanz im Zentrum Silberbergs

Arrow
Arrow
Slider

farbig: openstreetmap2017   schwarzweiss: Stadtplan 1829   rot: abgerissene Gebäude

(fehlende Gebäude in ROT markiert)

So waren um 1950 bereits die meisten Gebäude in Silberberg zerstört oder unbewohnt. Die Verwaltung – so Sroka – hat erhebliche Ausgaben für deren Schutz und Instandhaltung der Gebäude, sowie für die Zahlung fälliger Feuerschutz- und Grundsteuer ausgegeben. Leider haben diese Aktivitäten der Gemeindeverwaltung nicht die gewünschte Wirkung gehabt. Zu Beginn der 50er Jahre sollen – so Sroka – in größerem Umfang notwendigen Arbeiten durchgeführt worden sein, wie z.B. die Reparatur von Dächern und Dachrinnen, die Erneuerung von Decken und Fußböden sowie neuen Türen und Fenstern, das Setzen neuer Öfen und die Reparatur von Elektrik- und Wasserversorgungssystemen, inclusive der Ausbesserung von Mauerwerk und Malen der Innenräume.
Aus der erhaltenen Dokumentation folgt, dass in den Jahren 1951-1953 Reparaturen in acht Gebäuden in der Stadt durchgeführt wurden – jedoch – so Sroka – war dies nur ein „Tropfen im Meer“.
Der Schutz vieler historischer Gebäude ist im Wesentlichen Josef Wachowitz zu verdanken, welcher unermüdlich für die Renovierung von Stadt und Festung eintrat. Neben Wachowitz – so Dieter Wachowitz (S. 101) – haben zwei andere Stadtbewohner ( Stefan Słabosz und Mieczyslaw Nobisa) für den Erhalt von bedrohten Baudenkmalen gesorgt. Wachowitz führte Denkmalpfleger durch die Festung und versuchte denkmalschutzwürdige Gebäude zu erfassen und ihren Bauzustand bei der Gemeinde kundzutun. Dadurch konnten etwa 67 Gebäude gerettet werden: In der Gruppe 1 der erhaltenswürdigen Gebäude lagen 27 Häuser in der Sommerseite (polnische Nummern 1-4, 6, 7, 9-17, 20, 22, 24-29, 31-34), die gleiche Anzahl in der Winterseite (polnische Nummern 2, 4-11, 14-29, 31 und 32) und die übrigen in der Mittelreihe (polnische Nummern 3-12, 25, 26, 29, 30). Die zweite Gruppe betraf die Gebäude ohne historischen Wert, die jedoch aufgrund statischer Probleme für die denkmalgeschützten Nachbargebäude zu erhalten waren. Diese Gruppe bestand aus insgesamt 6 Häusern: in der Sommerseite nach polnischer Nummerierung Nr. 30 und Nr. 40 Gebäude, in der Winterseite die pol. Nummern 12 und 13, sowie in der Mittelreihe die Nr. 16 und Nr. 32 nach polnischer Nummerierung . Einer dritten Gruppe von Häusern wurden aufgrund der vorhandenen Schäden ein Denkmalschutz aberkannt. Es handelte sich um 16 Häuser vornehmlich aus der Mittelreihe (polnische Nummerierung: 20-24, 28, 31, 34, 35, 37 und 38), aus der Sommerseite nr. 18 und 19, sowie aus der Winterseite die Häuser mit den Nummern 33 und 34. Bei diesen Gebäuden wurde die Auflage erteilt, dass kunsthistorisch wichtige Portale, Fassadenschmuck oder Gebäudedekor demontiert und dem Denkmalschutzamt nach Gebäudeabriß übergeben werden (S. 99).
So wird für Silberberg im Jahr 1953 festgestellt, daß „mindestens 40 Prozent der Häuser zerstört sind oder leer stehen. Die Reparaturen waren schwierig, obwohl die Silberberger Zimmerei behauptete, zusätzliche hundert Angestellte beschäftigen zu können, wenn den Mitarbeitern Wohnraum zur Verfügung gestellt werden könnte. Es fehlten in dieser Zeit jedoch sogar die Finanzmittel, um die Leuchten in und außerhalb der Stadt zu betreiben – auch war die Qualität der ausgeführten Arbeiten denkbar schlecht (Sroka S. 99). Die Arbeit wurde „nach der Vergabe“ ohne angemessene Aufsicht durchgeführt. Reparierte Dächer leckten, rissige Wände entstanden in frisch renovierten Gebäuden und neu errichtete Öfen waren ungeeignet für die Nutzung. Daher gab es berechtigte Befürchtungen, dass die „renovierten“ Immobilien in kurzer Zeit neue, teure Investitionen benötigen würden.
In den Bergen wurden durch die Dunkelheit häufig Unfälle verursacht. Auch war – insbesondere für Kinder und Jugendliche – das Spielen in den vielen Ruinen lebensgefährlich. So kamen z.B. in der Ruine der Querkaserne ein Kind zu Tode (AKA).
Dies Zustände führten dazu, dass Silberberg im Jahr 1957 (!) wie folgt beschrieben wurde: „Die Stadt macht einen deprimierenden Eindruck. Dutzende von zerstörten Häusern und aus der Gesamtzahl von noch 97 Gebäuden bedürfen die meisten einer Renovierung – überall sind Trümmer und Ruinen zu sehen. Viele Gebäude werden abgerissen und niemand spricht darüber.“ Dem ehemaligen Bürgermeister Ciszewski (Cizewskiego) wird aufgrund seines Alkoholismus vorgeworfen, die Stadt vernachlässigt zu haben. Beim Rundgang durch die Stadt beschreibt der Besucher weiter: „Immer wieder passiere ich defekte Fenster und Häuser mit schmuddeligen Dächern. Hier und da schaut der Kopf einer Ziege oder eines Hahns hervor. Voller Mehltau, Spinnen, Staub, braune Streifen (? AKA). Stille … hier ist alles zerstört. Straßen ohne Bürgersteige, scharfe ungesicherte Bereiche auf den öffentlichen Wegen. Die Schutzbarrieren sind verschwunden. Plakate mit Straßennamen ersetzen Straßenschilder. […] Drei Mal am Tag fährt ein Auto durch die Stadt, manchmal ein Karren, im Schlamm ausrutschend fällt man hin“.
Vor dem Jahr 1956 waren durch „Plünderungsabbruch“ von Gebäuden, die den Krieg überstanden hatten (im Krieg wurde nur ein Gebäude zerstört, AKA), viele Gebäude zerstört worden.
Erst im Jahr 1957 kündigt sich eine Besserung an. Die Kritik am Stalinismus ermöglichte auch eine leichte Kritik an den herrschenden Zuständen. So wurde mit der Verwirklichung der Gasversorgung ein wichtiger Wunsch der Silberberger Bevölkerung in den Jahren 1958 – 1960 (wieder) für einen betrag 50000 Zlotys durchgesetzt. Die geplante Renovierung des Wasserversorgungsnetzes wurde jedoch nicht durchgeführt, da der Auftragnehmer die Leistung nicht erfüllte. Aus ähnlichen Gründen war es nicht möglich, die Stadt von Ruinen und Bauschutt zu räumen. Jedoch konnten in den Jahren 1958-1960 in vierzehn Gebäude mit 76 Wohnungen renoviert werden. Trotz einer Vereinbarung mit „Spolem“ konnten nur 10% der Aufträge durchgeführt werden.
Nach Sroka gelang es, den Abriss der Gebäude der Stadt aufzuhalten, die Verluste waren jedoch irreversibel. Die Bezirksbehörden hatten festgestellt, dass als Folge der angeblichen „Zerstörung des Krieges“ und durch „rücksichtslose Menschen“ nur ca. 60% der Gebäude die ersten Jahre unter polnischer Verwaltung überstanden hatten.
Vor den Wahlen zum Gemeinderat im Jahr 1961 wurde unter anderem folgendes von der Bevölkerung gewünscht: die Erneuerung der Wasserversorgung, die Vergrößerung des Gasnetzes und die Sanierung der ehemaligen evangelischen Kirche und deren Umwandlung in ein Kino. Zudem sollte die Busverbindung nach Frankenstein verbessert, sowie die Errichtung eines Gesundheitszentrums und eines Servicezentrums (Schuster, Schneider und Friseur) erreicht werden, auch ein zusätzliches Lebensmittelgeschäft und die Verbesserung der Versorgung im Dorf sah man als notwendig an. Wegen fehlender Mittel wurden Pläne für die meißten Vorschläge, wie z.B. die ehemalige evangelische Kirche, nicht umgesetzt. Jedoch wurden die Busverbindungen etwas verbessert und es wurde auch ein neues Lebensmittelgeschäft eingerichtet Das neu eröffnete Servicezentrum wurde wegen geringen Bedarfs bald geschlossen.
In den Jahren 1961 und 1962 wurden weitere größere Renovierungen von Gebäuden in Silberberg für insgesamt 700.000 Zloty durchgeführt; für weitere Instandsetzungen wurden jedoch keine Kredite vergeben. Weitere kleine Initiativen existierten seit 1956, die jedoch nicht zum Tragen kamen, da prinzipiell alle noch vorhandenen Gebäude stark renovierungsbedürftig waren, z.T. stand Wasser in den Kellern, die Gründungsmauern waren marode oder Pilzbefall zeigte sich vom Keller bis zum Dachgeschoß und so wurden die unbewohnten Gebäude z.T. als Stallbereich für Nutztiere gebraucht.
Ein anderes Problem waren die schlecht befestigten Hanglagen, die seit den frühen vierziger Jahren nicht mehr unterhalten wurden. Dadurch wurden die noch bestehenden Gebäude gefährdet. Des weiteren beschwerten sich die Einwohner, dass die Hauptkanalisation zu 90% blockiert war. Letztendlich wurde in dieser Zeit auch die evangelische Kirche nicht genutzt, sie wurde geschlossen. Weitere katastrophale Bedingungen zeigen sich in den Berichten einiger Einwohner. So mußte ein Bewohner sein Haus in der Sommerseite 14 räumen, da durch den Abriß eines Nachbarhauses, sein Haus einsturzgefährdet war. Ein anderer beschwerte sich folgendermaßen: „Wir zahlen Miete an die Stadt, aber wir bekommen nichts dafür, wir leben hier nur auf einem Müllhaufen“. Im Jahr 1965 kamen die ersten Pfadfinder ins „Dorf“; sie machten den ruinenmäßigen Zustand Silberbergs öffentlich und diskutierten die Probleme des Ortes. In der zerstörten und entvölkerten Stadt war die Möglichkeit, das kulturelle Leben zu organisieren, nicht groß. In den 1950er Jahren war ein beliebter Sportverein in Silberberg aktiv und der Verein der Polnischen Jugendbewegung informierte die Öffentlichkeit. Es gab dann auch ein provisorisches Kino, in dem einmal im Monat zwei Filme gezeigt wurden: „Sie sind mit Ihrem eigenen Stuhl ins Kino gegangen.“ Ein weiterer Fortschritt war die Einrichtung einer öffentlichen Bibliothek in Silberberg – sie nahm am 1. Januar 1960 seine Tätigkeit auf und vier Jahre später hatte es bereits 3700 Bände.
In der deutschen Zeit war Silberberg ein bekanntes Zentrum für Tourismus und Erholung im Eulengebirge. In einer Statistik aus dem Jahr 1948 werden für Silberberg acht nicht betriebene Ferienhäuser, zwei Hotels und die Hahnenkoppenbaude erwähnt. Auch werden für den Wintersport geeignete Gelände ausgewiesen. Nach der gleichen Quelle aus dem Jahr 1947 besuchten Silberberg jährlich ca. 1000 Menschen – aus welchen Gründen auch immer.
Das Interesse der Silberberger, den Tourismus zu entwickeln, schien nicht sehr ausgeprägt, da es wahrscheinlich noch zu viele existenzielle Probleme gab. So stellte z.B. ein Sonderausschuss der Gemeinde 1953 fest, dass die Hahnenkoppenbaude völlig zerstört sei, obwohl sie kurze Zeit vorher in einem völlig guten Zustand war, war sie nun abbruchreif: zerstört waren die inneren tragenden Wände, Decken, Böden, Türen, Fenster, Öfen, die Wasserversorgung, die Kanalisation und die Stromversorgung. Die Materialien wurden entfernt, und nur Trümmer von Ziegeln, Brettern und Trümmern blieben an Ort und Stelle (welche Verfasser der Rez. noch als überwachsenen Schutthaufen im Jahr 1974 identifizieren konnte).
Dieter Wachowitz (S. 104) bezeugte, daß erstmals im Jahr 1952 Sommerlager in Silberberg durchgeführt wurden. Drei Jahre später wurden in der ehemaligen (Längs-) Kaserne in der Oberstadt etwa 500 Gleiwitzer Kinder untergebracht. Darüber hinaus wurde in der Silberberger Grundschule ein Sommerlager für mehr als hundert Kinder organisiert. Die Lager wurden jedoch nur für zwei Monate im Jahr genutzt, während die Gebäude in den restlichen zehn Monaten leer standen. Erst Mitte der 1950er Jahre erschien die Erwähnung Silberbergs auch in den Führern der polnischer Tourismusverlage. Durch den Bericht, dass in der Festung ein Freund von Karl Marx, nämlich Wilhelm Wolff, in Haft gesessen hat und in Silberberg auch das Oflag VIIIb existierte, wurde Silberberg auch in den politischen Gremien bekannter. Daher wurde im Jahr 1955 in der Sommerseite 6 eine „Touristenstation“ mit zehn Betten eröffnet. Im Jahr 1957 übernahm die PTTK die „Villa Hubertus“ – auf dem Weg zum Donjon gelegen. Schon zwei Jahre später wurden in dieser Touristenherberge 80 Plätze im Sommer und 50 Betten im Winter angeboten. Der Verwalter Waclaw Malczewski begann in den 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die touristisch unterentwickelte Festung Silberbergs zu einer Attraktion zu entwickeln, um weitere Zerstörungen zu verhindern. Im Jahr 1964 eröffnete er eine eigene Touristenstation in der Sommerseite 3, während die Herberge „Villa Hubertus“ 1969 wegen ihres schrecklichen Zustandes für mehrere Jahre geschlossen wurde. Die größte touristische Investition in Silberberg in den 1960er Jahren war der Bau eines Ferienresorts auf dem Gebiet des ehemaligen Ziegeleisees, wo ein Kinderparadies mit Kanusport, Schwimmbad, Kinderbecken, Strand, Spielplätzen, Hütten und Campingplatz geschaffen wurde. Im Jahr 1965 wurde ein Stadtplanungs- und Aktivierungsprogramm erstellt. Sein Ziel war die „Transformation“ Silberbergs zu einem Touristengebiet für die Bevölkerung Niederschlesiens mit besonderem Schwerpunkt für die Bewohner des Kreises Frankenstein, der Stadt Reichenbach und der Stadt Frankenstein. Das Programm sah den Bau einer Anlage für den Wintersport vor (Ski und Rodeln), sowie die Entwicklung der Festung für den Tourismus und die Entwicklung der Infrastruktur und Gastronomie. Es war – nach Sroka – kein Zufall, dass Pfadfinder zur gleichen Zeit nach Silberberg kamen. Die Stadt begann sich langsam aus der „Vergessenheit“ zu befreien und bald begannen die „glücklichen 70er Jahre“.
Abschließend fasst Sroka seine Forschungen (S. 105f.) zusammen. Er stellt fest, dass Silberberg kein Einzelfall in Niederschlesien war. Viele Dörfer hörten fast auf zu existieren (was z.T. noch in der „Ruinenlandschaft“ zu sehen ist, wenn man sich die umliegenden – nicht so verkehrsgünstig gelegenen – Dörfer noch 2018 anschaut, AKA). Abschließend beklagt Sroka, dass „leider die polnische Verwaltung das von den vertriebenen Deutschen hinterlassene Eigentum nicht ausreichend sichern konnte“. In Silberberg wurden nach 1945 die wüst gelegenen und die geplünderten Gebäude zerstört. Finanzielle Möglichkeit zur Renovierung gab es nicht, da man nichteinmal die Kapazitäten saß, die Schuttberge zu entfernen. Nach 1945 wurden etwa 40% der Gebäude der Stadt zerstört. Eine kleine Stadt mit Merkmalen eines Zentralortes und deren Infrastruktur war administrativ den benachbarten, typisch landwirtschaftlichen Bedürfnissen der umliegenden Dörfer untergeordnet. Es hätte – als selbständig agierende Stadt – eine Chance für den Tourismus gegeben, jedoch lag Silberberg nach 1945 aufgrund der administrativen Situation am Rande des Touristenverkehrs.
Das „Tauwetter“ Mitte der 1950er Jahre verbesserte die Situation der Stadt etwas. Man begann über Silberberg zu sprechen und zu schreiben. Ihre Bevölkerung nahm signifikant zu (bis 65 % des Vorkriegsstandes). Trotzdem fehlten Mittel für Reparaturen und die Renovierung der Stadt – ein Konzept der Stadtsanierung historischer Stadtkerne – wie in Westdeutschland – existierte scheinbar nicht. In den 1960er Jahren wurde das touristische Potenzial schließlich verstärkt genutzt. Allerdings hat es erst eine deutliche Verbesserung in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts gegeben. Der Aufstieg der Stadt hing wesentlich mit dem Beginn der Aktivitäten der Pfadfinder in Silberberg zusammen – so Sroka.
Das sich eine Entwicklung nicht immer zum Positiven bewegt zeigt die Situation der Kasernen in der Oberstadt. Erst die Belegung der Kasernen durch die Pfadfinder Mitte der 60er Jahre sicherte deren Existenz und Ausbau. Nach den Wirren der „Wendezeit“ verfielen anfangs große Teile der Längskasernen – bis der Tourismus wiederentdeckt wurde und durch Eigeninitiative langsam aber sicher (?) – zwar nicht nach denkmalpflegerischen Kriterien – versucht wird, die noch erhaltene Bausubstanz zu nutzen und zu retten.
Dankenswerterweise hat Sroka etliche neue Quellen aus den 50er und 60er Jahren erschlossen (so z.B. das wichtige Protokoll aus dem Jahr 1953 über den Zustand der Bausubstanz in Silberberg). Für seine Fragestellungen hätte er jedoch auch viele der Quellen, die Soltysik in seinem Artikel im gleichen Tagungsband verwendet, nutzen können. Ein Defizit ist sicherlich die Nichtverwendung von deutschen Quellen (s.o.), auch verwundert es, daß Sroka das Offizierslager VIIIb auf dem Spitzberg nicht erwähnt, obwohl die in Polen heroisierten Fluchtversuche der polnischen Offiziere Silberberg landesweit bekannt machten. Zu stark erscheint auch der Entzug der Stadtrechte bezüglich der negativen ökonomischen Entwicklung Silberbergs bewertet zu werden. Eine konkrete Diskussion über die Gründe von Betriebsschließungen findet nicht statt – diese wäre jedoch für ein Verständnis des wirtschaftlichen Niederganges von Silberberg unerläßlich.
AKA 2019, Ullrich Masemann