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Das digitale Rezensionsjournal »Recensio Silberbergensis« – herausgegeben vom Silberbergarchiv (Alfred-Kollewe-Archiv) – wird regelmäßig Rezensionen von Aufsätzen über die Stadt und Festung von Silberberg auf dieser Seite veröffentlichen.



REZENSION

Bartosz Grygorcewicz : Die Konjunktur in Silberberg in den Jahren 1949-1990.

In: Przerwa, Tomasz; Festung Silberberg III: Die Stadt und die Festung, Breslau 2010, S. 128-140. [Mitherausgeber: G. Podruczny] = SBIII, S. 128-140.

 

Bartosz Grygorcewicz, ein promovierter Historiker vom Staatsarchiv in Breslau, besitzt seine Forschungsschwerpunkte in der schlesischen Neuzeit – insbesondere in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Er behandelt jedoch auch exemplarisch Themen des städtischen Kulturlebens und der Glaubensgeschichte, wie z.B. der Geschichte der Feuerwehr oder der Kirche.

In der Silberberger Publikationsreihe von Tomasz Przerwa veröffentlichte er schon zahlreiche Aufsätze, wie z.B. den Aufsatz über die „polnische Stasi“ aus der Silberberger Zeit von 1949 bis 1953.

Im hier behandelten Aufsatz widmet er sich der ökonomischen Entwicklung Silberbergs nach dem zweiten Weltkrieg; die Höhen und Tiefen der Silberberger Wirtschaft versucht er anhand der vorliegenden Quellen genau nachzuzeichnen.

Eingangs beschreibt Grygorcewicz Silberberg als typisches Beispiel des Niederganges einer schlesischen Kleinstadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Ortschaft Silberberg wurden nicht nur ihre Stadtrechte (zukünftiger Sitz der Gemeinde war Peterwitz) geraubt, sondern sie verlor auch die meisten Industriebetriebe, besonders diejenigen, die im zweiten Weltkrieg entstanden waren.

Die polnische Verwaltung hat von der sowjetischen Militärverwaltung noch vier existierende – ehemals deutsche – Firmen übernehmen können.

  1. Die Fabrik Kuhnt (Wolldeckenweberei), die zu Beginn des 20 Jh. in Silberberg gegründet wurde.
  2. die Firma „Elektrosignal“ wurde auch in anderen Standorten als „VEB“ Staatliche Telekommunikationsgeräte weitergeführt. Dort wurden Telefonzentralen und Telefonbestandteile produziert.
  3. Ing. Günther Hintze – im Volksmund „Hintze-Werke“- (hier wurden Deutsche 1945 und 1946 unter Russen und Polen zur Arbeit verpflichtet), der Maschinenpark wurde in der zweiten Jahreshälfte 1946 in das staatliche polnische Funkfernmeldewerk in Langenbielau „überführt“ wurde (S. 128).
  4. Fabrik J. Anders (mechanische Produktionsinstrumente).

Bartosz Grygorcewicz bemerkt dazu: „Es gab den polnischen Behörden die Möglichkeit, die Produktion auf der Grundlage der dort vorhandenen Ausrüstung fortzusetzen und zu nutzen.“ (S.128)

Im Jahr 1954 verfügte man die Schließung der meisten Betriebe; die Fabrikationsgebäude wurden bis Mitte 1955 in Silberberg aufgegeben. Die Auflösung zeigte sich auch in der Form, dass brauchbare Materialien abtransportiert wurden – so z.B. fünf Waggons mit Möbeln etc. nach Beuthen; diese „Beute“ hatten sich verschiedene polnischen Delegationen, die Silberberg besuchten, gesichert. Diese Deindustriealisierung Silberbergs führte nicht nur zu einer Verarmung der Bevölkerung, auch die nun leer stehenden Gebäude wurden nicht mehr unterhalten, wie z.B. die denkmalgeschützte Querkaserne der Firma Günther Hintze in der Oberstadt, die langsam ausgeraubt wurde und verfiel.

Seit 1949 wurden – nach einem Besuch des Inspektors für Holzindustrie – für eine Produktion für Kommoden, Kinderbetten, Bücherregale, Tischlerplatten und Schränke noch vorhandene Maschinen aus ehemaligen deutschen Fabriken in der Stadt zusammengetragen. Man wurde in Gebäuden in Bahnhofsnähe in der ehem. Firma Kuhnt „fündig“: allein hier bestand die Ausbeute aus zwei Hobelmaschinen, zwei Bandsägen und diversem weiteren Tischlerwerkzeug. So konnten im Jahr 1955 schon 555 Küchenboards (Plan 440) und 510 (Plan: 1000) Kinderbetten produziert werden (Tab. 1, S. 130). Diese Erfolge führten 1957 zur Etablierung der Produktionsgenossenschaft „Spolem“ in Silberberg.

Im Jahr 1959 beschloß der Vorstand für regionale Industrie in Breslau die Modernisierung diverser Anlagen in Silberberg mit einem Volumen von geschätzten 2 555 577 Zloty, geplant war unter anderem der Ersatz des Kessels und der Umbau des Kesselhauses in Silberberg. Diese Arbeiten sollten durch das staatliche Maschinenzentrum in Frankenstein durchgeführt werden, um eine Produktionssteigerung von 700 auf 3500 Kubikmeter verarbeitetes Holz zu erreichen. Die Modernisierungsmaßnahmen wurden jedoch nicht umgesetzt (S. 132). Oft gab es in den fünfziger Jahren Produktionsengpässe aufgrund der unregelmäßigen Versorgung mit Holz und Steinkohle – auch fragt sich der Autor (S. 133), warum nicht die lokalen Holzressourcen genutzt wurden? Hier zeigen sich augenscheinlich die Schwächen einer Zentralplanung, die ökonomisch unprofessionell durchgeführt wurde. Trotz dieser Probleme wurde noch im Jahr 1959 in Silberberg versucht, Exportprodukte für Rußland (z.B. Nähmaschinentische) herzustellen. Zu Beginn der sechziger Jahre wurde zudem noch mit der Produktion von Schulbänken, Radio – und später auch Fernsehtischen begonnen.

Diverse Auseinandersetzungen der Mitarbeiter bezüglich der Produktivität und der strategischen Ausrichtung der Silberberger Betriebe in den sechziger Jahren werden vom Autor erwähnt (s. 134), jedoch nicht weiter ausgeführt. Die Produktionsergebnisse aus dem Jahr 1961 werden von Grygorcewicz zwar dargestellt (S. 135), jedoch nicht in eine Entwicklung eingepasst, sodass sich Aussagen zur Produktionssteigerung – wenn überhaupt vorhanden – kaum anhand der dargelegten Zeitphasen machen lassen. Allein die Erwähnung der Anschaffung einiger neuer LKW`s (S. 136) lassen nicht oder nur sehr spekulativ auf eine Produktionssteigerung in den sechziger Jahren schließen.

Interessant ist eine Tabelle über die Silberberger Produktion aus dem Jahr 1971. Erstmals wird der Export nach Deutschland, eventuell Westdeutschland, erwähnt. Für ein Produktionskostenvolumen von 58.494 Zloty wurden Tische dorthin exportiert. Dieses kaum ins Gewicht fallende Exportvolumen mag den Beginn der „Westorientierung“ bezüglich der Devisenwirtschaft kennzeichnen. Bei einem Gesamtanteil der Produktionskosten in Höhe von 12.189.555 Zloty machte der Exportanteil nach Deutschland allerdings nur 0,47 % in Silberberg aus. Aus der Tabelle lässt sich auch deutlich herauslesen, dass in dieser Zeit die Tischfabrikation in Silberberg (etwa 30 Prozent) und die Mahagoniverarbeitung (ca. 50 %) die Hauptproduktionsbereiche waren (Tab. 4, S. 136).

Für das Jahr 1976 gibt Grygorcewicz den Anteil gewerkschaftlich organisierter Mitarbeiter in Silberberg an (Tab. 5, S. 137). Von 100 Mitarbeitern, waren in Silberberg nur 49 gewerkschaftlich organisiert. Auffallend ist, dass in dem Zweigbetrieb in Neurode nicht einmal jeder vierte organisiert war. Ein Prozentsatz von etwa der Hälfte der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter entsprach in der Region in etwa der Norm.

In einem kurzen Rückblick beschreibt Grygorcewicz die ökonomische Entwicklung der „sterbenden Stadt“ Silberberg (S. 138) in den fünfziger Jahren. Erst die im August 1957 getroffene Entscheidung zur Entwicklung der Möbelproduktion auf einer Fläche von fast achttausend Quadratmetern durch die Genossenschaft „Spolem“ führte zu einer ersten Verbesserung im ehemaligen Städtchen Silberberg. Auffallend ist, dass Grygorcewicz die Rolle und das Engagement des damaligen Ortsvorstehers Josef Wachowitz bezüglich der Ansiedlung neuer holzverarbeitender Betriebe mit keinem Wort erwähnt.

Nach den Plänen der Jahre 1957 und 1958 sollten bis zu 600 Arbeitsplätze in Silberberg entstehen. Leider hat die polnische Misswirtschaft dazu geführt, dass die Pläne nicht realisiert werden konnten und nach einem ökonomischen Niedergang in den 60er Jahren erst mit Beginn der siebziger Jahre eine ökonomische Belebung, die sich z.B. in der neuen Produktion von Gartenmöbeln und Möbeln für Lebensmittelgeschäfte zeigte, begann – obwohl immer noch Probleme mit der Infrastruktur, besonders der Wasserversorgung bestanden.

Eine schöne Übersicht zeigt abschließend die Tabelle (Tab. 7, S. 141) über Führungskräfte und Arbeiter, die nur in den Jahren 1960, 1962 und 1968 erwähnt sind. Es zeigt sich, dass zwischen 21 % und 39 % der Mitarbeiter zu den Führungskräften gezählt wurden. Eine Entwicklung ist durch das kleine Sample leider nicht sehr aussagekräftig ist; die Stichprobe zeigt allerdings, dass die im Westen angestrebten maximalen fünf Prozent bei weitem überboten werden.

Von hohem Interesse ist die Anzahl der Beschäftigten in Silberberg, die von 1958 (leider nicht chronologisch früher) bis zum Jahr 1977 angezeigt werden. Hier zeigt sich, dass die Anzahl der beschäftigten Personen in Silberberg mit 125 Personen in den fünfziger Jahren begann, in den sechziger Jahren auf etwa 175 Personen stieg und auf ein Maximum von um 230 arbeitenden Personen in der Zeit von 1974 bis 1977 stieg. Somit gab es in der Zeit von 1958 bis 1977 im Durchschnitt 176 Arbeitsplätze bzw. Einkommensempfänger – nicht einmal ein Drittel im Vergleich zu den dreißiger Jahren in Silberberg.

AKA 2/19

 


 


R E Z E N S I O N

Peter Sroka , Der Niedergang von Silberberg in den Jahren 1946 bis 1965.

In: Przerwa, Tomasz; Festung Silberberg  III: Die Stadt und die Festung, Breslau 2010, S. 96-105 [Mitherausgeber: G. Podruczny]  = SBIII, S. 96-105.

Peter Sroka, ein polnischer Historiker, beschreibt in einem Aufsatz über die Zeit nach der Vertreibung der Deutschen minutiös den rechtlichen und ökonomischen Niedergang des ehemaligen Städtchens Silberberg in dem Zeitraum von 1946 bis 1965.
In einem kurzen Abriß stellt er die Geschichte Silberbergs von der Blütezeit im 16. Jahrhundert, den verheerenden Kriegen im 17. bis 19. Jahrhundert bis zur den Anfängen des Tourismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts dar.
War die Befestigung anfangs ein „Fluch“, der viele Kriegshandlungen nach Silberberg zog, so war die Erhaltung und Restaurierung der Festung in den dreißiger Jahren eine wichtige Voraussetzung zur touristischen Entwicklung der Stadt.
Die Stadt, charmant am Fuße der Festung Friedrich des Großen gelegen, hatte sich schon zur Jahrhundertwende zu einem attraktiven Touristenziel entwickelt. Der erste Weltkrieg und die folgenden politischen und wirtschaftliche Turbulenzen nach seinem Ende bis zur Weltwirtschaftskrise haben die Stadt schwer getroffen.
Die schlimmsten Zeiten sollten jedoch erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kommen, danach erlebte der Silberberg einen tiefen und mehrphasigen Niedergang.
Zum ersten Mal in seiner Geschichte verlor es seine Stadtrechte. Nach der Ausplünderung und Vertreibung der deutschen Einwohner und dem Zusammenbruch der lokalen Industrie war die Stadt stark entvölkert.
Dies führte nicht nur zum Zusammenbruch der städtischen Infrastruktur, auch hatte Silberberg ihre Bedeutung als Reiseziel verloren. Diesen Vorgängen nachzugehen ist das Ziel von Sroka. Nach dem katastrophalen Ende des III. Reiches und den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz begann unverzüglich die Organisation der Vertreibung der Deutschen. Die praktische Umsetzung begann im folgenden Jahr 1946 – ein entscheidendes Jahr für Silberberg.
Schon im Jahr 1946 (wahrscheinlich im August) nahm man dem Ort seine Stadtrechte. Auffallend ist, dass Sroka die inhumane Behandlung und die ökonomische Exploitation der Deutschen kaum erwahnt. Vielmehr sieht er diesen Geschichtsprozeß allein aus der polnischen Perspektive, obwohl gerade für die Frühzeit wichtige deutsche Quellen existieren, die auch publiziert sind (z.B. in: Kollewe, Felkel: Gesammeltes über Stadt und Festung Silberberg, Hamburg 2000, AKA14).

Gebäudereste in Silberberg im Jahr 2012.

Nach Sroka waren die wenigen polnischen neuen Bewohner Silberbergs waren nicht mit der Degradierung der Stadt zum eingemeindeten Dorf einverstanden und organisierten unter der Leitung von Mieczyslaw Stawicki eine Sitzung am 25.2.1947 zum Thema der verlorenen Stadtrechte, da die Selbstverwaltung Silberbergs durch diesen Rechtsakt stark eingeschränkt war und die Finanzierung einer eigenen Verwaltung unmöglich wurde. Die vorgesetzten Behörden lehnten jedoch eine Eigenverwaltung Silberbergs ab und so kam es, dass die ehemalige Stadt in die ländliche Gemeinde Peterwitz – wie auch Schönwalde (in der Verwaltungsreform von 1954) – eingemeindet wurde. Noch im Jahr 1954 hat der neue Verwaltungsbereichsleiter der Grundschule Waclaw Bolechowski vorgeschlagen, in Silberberg eine separate Einheit einer Verwaltung einzurichten – leider ist der Vorschlag abgelehnt worden, obwohl es juristisch möglich gewesen wäre.
Als Voraussetzung dafür galt die Bedingung, dass bei kompakten stadtähnlichen Siedlungen mindestens zwei Drittel der Einwohner eine Existenz außerhalb der Landwirtschaft inne hatten. Jedoch lag die Mindestgröße bei 1000 Einwohnern, die das polnische Silberberg bei weitem nicht erreichte. Insbesondere die Zerstörung von fast 50 Prozent der Stadthäuser, die Vertreibung der Deutschen und die Liquidierung großer Teile der Silberberger Industrie und des Handels haben dazu geführt, dass 1947 nur noch etwa 350 Einwohner in Silberberg ansässig waren (FMR). Die vorher genannten Argumente werden bei Sroka nicht erwähnt.
Im Jahr 1959 scheiterte ein weiterer Versuch in Silberberg eine eigene „Stadt“-Verwaltung zu etablieren. Nach Sroka fehlten jetzt nur wenige Einwohner, um Silberberg die Stadrechte zu verleihen. Somit ist zu konstatieren, dass die Stadtrechte Silberbergs aufgrund des demografischen Niederganges nicht wieder erteilt wurden. So hat die unkluge, inhumane und unnötige Politik der Vertreibung der Deutschen die Erteilung der Stadtrechte verhindert.
Während im Jahr 1939 Silberberg eine Bevölkerung von 1154 besaß, hatte Silberberg Ende 1946 nur noch 550 Einwohner (nach deutschen Quellen 356 zu Beginn des Jahres 1947).
In dieser Zahl von 550 Einwohnern – nach Sroka – gab es 360 sogenannte „Heimkehrer“ aus den verlorenen ostpolnischen Gebieten. Aus dem zentralen polnischen Staatsgebiet kamen 165 Personen und 25 Personen waren deutscher Herkunft. Jedoch schon zwei Jahre später sank die Einwohnerzahl auf 320 und der Besucher der Stadt Mieczyslaw Orlowicz stellte fest, dass die ehemalige Bergbaustadt ‚fast verlassen‘ erschien.
Nicht nur die Verminderung der Bevölkerung und der Zusammenbruch der lokalen Industrie in den 40er Jahren waren zu konstatieren, auch die zentralörtliche Funktion der Stadt Silberberg ging verloren. So blieb die Pfarrstelle der katholischen Kirche seit 1952 unbesetzt und die Silberberger Katholiken wurden fortan von Schönwalde aus betreut. Aufgrund der schwierigen ökonomischen Situation in Silberberg gingen viele Einwohner im Umland oder in Frankenstein zur Arbeit. Erst als sich die genossenschaftliche Handels- und Produktionsorganisation „Spolem“ in Silberberg etablierte waren erste ökonomische Lichtblicke zu verzeichnen. Der Ausbau von „Spolem“ auf mehrere standorte in Silberberg führte auch zu einem leichten Bevölkerungsanstieg in Silberberg, sodaß im Jahr 1961 schon 750 Einwohner, etwa 65% des Vorkriegsstandes, in Silberberg gezählt werden konnten. Eine weitere Zunahme war auch – ohne größere Neubauvorhaben – kaum möglich, da durch die Zerstörung von Wohnungen und der städtischen Infrastruktur verlassene Gebäude verfielen und den Plünderern zum Opfer gefallen waren.
Nach deutschen Augenzeugenberichten war eine „Hauptursache“ für den Verlust der Bausubstanz die „Gewinnung“ von Feuerholz. Zuerst wurden die Balken der Dächer demontiert, später folgten die Treppen und Fenster. Das übrige tat dann die Witterung und innerhalb weniger Jahre wurde aus einem ansehnlichen Stadthaus eine Ruine. Einen eindrücklichen Bericht überliefert Franz Jurczyk in den 50er Jahren (AKA14, 6f): „Das Städtchen bietet heute mit seinen Schutthalden, mit seinen verfallenen Häusern und mit seinen verwahrlosten Straßen und Plätzen einen jammervollen Anblick. Über die Ursache dieser Zustände braucht man sich nicht zu wundern. Silberberg zählt jetzt etwa 350 Einwohner, also ein knappes Drittel seiner früheren Bevölkerung. Die unbewohnten Gebäude sind herrenloses Eigentum …. als ich Silberberg verließ, befand sich gerade das Haus von Fräulein Klara Bittner im Abbruch. Dort sollen die Polen angeblich auch noch gute Funde gemacht haben. Wenn wir dann die Sommerseite hinaufgehen, finden wir noch als Schutthaufen wieder: die alte katholische Schule und das Haus von Kuhnt, die Häuser von Installateur Weigelt und Tischlermeister Welzel, von Geschw. Beck und Paul Grammel, Heinrich Dinter und Julius Springer. In der Oberstadt fehlen die Häuser von Reinhold Faul (Langnickel), die alte Bäckerei, Graner, Scharlach, Josef Klar und die Landwirtschaft von Niesel …. Die Querkasernen stehen zwar noch, sind aber nach der Einstellung der Hinze-Fabrik völlig ungenutzt. Türen, Fenster und Treppen sind allmählich völlig verschwunden, ein Abbruch steht wohl bevor. In der Mittelreihe stehen außer dem Haus von Anders nur noch die Häuser von Peuckert, Hilscher, das Haus des Wasserversorgungs-Zweckverbandes, die Gastwirtschaft Olapinski und die Fleischerei Rauer. Alle übrigen Grundstücke sind Schutthaufen; ein besonders großer Schuttberg ist das vor zwei Jahren abgebrochene Hotel „Kaiserhof“.

Der Verlust historischer Bausubstanz im Zentrum Silberbergs

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farbig: openstreetmap2017   schwarzweiss: Stadtplan 1829   rot: abgerissene Gebäude

(fehlende Gebäude in ROT markiert)

So waren um 1950 bereits die meisten Gebäude in Silberberg zerstört oder unbewohnt. Die Verwaltung – so Sroka – hat erhebliche Ausgaben für deren Schutz und Instandhaltung der Gebäude, sowie für die Zahlung fälliger Feuerschutz- und Grundsteuer ausgegeben. Leider haben diese Aktivitäten der Gemeindeverwaltung nicht die gewünschte Wirkung gehabt. Zu Beginn der 50er Jahre sollen – so Sroka – in größerem Umfang notwendigen Arbeiten durchgeführt worden sein, wie z.B. die Reparatur von Dächern und Dachrinnen, die Erneuerung von Decken und Fußböden sowie neuen Türen und Fenstern, das Setzen neuer Öfen und die Reparatur von Elektrik- und Wasserversorgungssystemen, inclusive der Ausbesserung von Mauerwerk und Malen der Innenräume.
Aus der erhaltenen Dokumentation folgt, dass in den Jahren 1951-1953 Reparaturen in acht Gebäuden in der Stadt durchgeführt wurden – jedoch – so Sroka – war dies nur ein „Tropfen im Meer“.
Der Schutz vieler historischer Gebäude ist im Wesentlichen Josef Wachowitz zu verdanken, welcher unermüdlich für die Renovierung von Stadt und Festung eintrat. Neben Wachowitz – so Dieter Wachowitz (S. 101) – haben zwei andere Stadtbewohner ( Stefan Słabosz und Mieczyslaw Nobisa) für den Erhalt von bedrohten Baudenkmalen gesorgt. Wachowitz führte Denkmalpfleger durch die Festung und versuchte denkmalschutzwürdige Gebäude zu erfassen und ihren Bauzustand bei der Gemeinde kundzutun. Dadurch konnten etwa 67 Gebäude gerettet werden: In der Gruppe 1 der erhaltenswürdigen Gebäude lagen 27 Häuser in der Sommerseite (polnische Nummern 1-4, 6, 7, 9-17, 20, 22, 24-29, 31-34), die gleiche Anzahl in der Winterseite (polnische Nummern 2, 4-11, 14-29, 31 und 32) und die übrigen in der Mittelreihe (polnische Nummern 3-12, 25, 26, 29, 30). Die zweite Gruppe betraf die Gebäude ohne historischen Wert, die jedoch aufgrund statischer Probleme für die denkmalgeschützten Nachbargebäude zu erhalten waren. Diese Gruppe bestand aus insgesamt 6 Häusern: in der Sommerseite nach polnischer Nummerierung Nr. 30 und Nr. 40 Gebäude, in der Winterseite die pol. Nummern 12 und 13, sowie in der Mittelreihe die Nr. 16 und Nr. 32 nach polnischer Nummerierung . Einer dritten Gruppe von Häusern wurden aufgrund der vorhandenen Schäden ein Denkmalschutz aberkannt. Es handelte sich um 16 Häuser vornehmlich aus der Mittelreihe (polnische Nummerierung: 20-24, 28, 31, 34, 35, 37 und 38), aus der Sommerseite nr. 18 und 19, sowie aus der Winterseite die Häuser mit den Nummern 33 und 34. Bei diesen Gebäuden wurde die Auflage erteilt, dass kunsthistorisch wichtige Portale, Fassadenschmuck oder Gebäudedekor demontiert und dem Denkmalschutzamt nach Gebäudeabriß übergeben werden (S. 99).
So wird für Silberberg im Jahr 1953 festgestellt, daß „mindestens 40 Prozent der Häuser zerstört sind oder leer stehen. Die Reparaturen waren schwierig, obwohl die Silberberger Zimmerei behauptete, zusätzliche hundert Angestellte beschäftigen zu können, wenn den Mitarbeitern Wohnraum zur Verfügung gestellt werden könnte. Es fehlten in dieser Zeit jedoch sogar die Finanzmittel, um die Leuchten in und außerhalb der Stadt zu betreiben – auch war die Qualität der ausgeführten Arbeiten denkbar schlecht (Sroka S. 99). Die Arbeit wurde „nach der Vergabe“ ohne angemessene Aufsicht durchgeführt. Reparierte Dächer leckten, rissige Wände entstanden in frisch renovierten Gebäuden und neu errichtete Öfen waren ungeeignet für die Nutzung. Daher gab es berechtigte Befürchtungen, dass die „renovierten“ Immobilien in kurzer Zeit neue, teure Investitionen benötigen würden.
In den Bergen wurden durch die Dunkelheit häufig Unfälle verursacht. Auch war – insbesondere für Kinder und Jugendliche – das Spielen in den vielen Ruinen lebensgefährlich. So kamen z.B. in der Ruine der Querkaserne ein Kind zu Tode (AKA).
Dies Zustände führten dazu, dass Silberberg im Jahr 1957 (!) wie folgt beschrieben wurde: „Die Stadt macht einen deprimierenden Eindruck. Dutzende von zerstörten Häusern und aus der Gesamtzahl von noch 97 Gebäuden bedürfen die meisten einer Renovierung – überall sind Trümmer und Ruinen zu sehen. Viele Gebäude werden abgerissen und niemand spricht darüber.“ Dem ehemaligen Bürgermeister Ciszewski (Cizewskiego) wird aufgrund seines Alkoholismus vorgeworfen, die Stadt vernachlässigt zu haben. Beim Rundgang durch die Stadt beschreibt der Besucher weiter: „Immer wieder passiere ich defekte Fenster und Häuser mit schmuddeligen Dächern. Hier und da schaut der Kopf einer Ziege oder eines Hahns hervor. Voller Mehltau, Spinnen, Staub, braune Streifen (? AKA). Stille … hier ist alles zerstört. Straßen ohne Bürgersteige, scharfe ungesicherte Bereiche auf den öffentlichen Wegen. Die Schutzbarrieren sind verschwunden. Plakate mit Straßennamen ersetzen Straßenschilder. […] Drei Mal am Tag fährt ein Auto durch die Stadt, manchmal ein Karren, im Schlamm ausrutschend fällt man hin“.
Vor dem Jahr 1956 waren durch „Plünderungsabbruch“ von Gebäuden, die den Krieg überstanden hatten (im Krieg wurde nur ein Gebäude zerstört, AKA), viele Gebäude zerstört worden.
Erst im Jahr 1957 kündigt sich eine Besserung an. Die Kritik am Stalinismus ermöglichte auch eine leichte Kritik an den herrschenden Zuständen. So wurde mit der Verwirklichung der Gasversorgung ein wichtiger Wunsch der Silberberger Bevölkerung in den Jahren 1958 – 1960 (wieder) für einen betrag 50000 Zlotys durchgesetzt. Die geplante Renovierung des Wasserversorgungsnetzes wurde jedoch nicht durchgeführt, da der Auftragnehmer die Leistung nicht erfüllte. Aus ähnlichen Gründen war es nicht möglich, die Stadt von Ruinen und Bauschutt zu räumen. Jedoch konnten in den Jahren 1958-1960 in vierzehn Gebäude mit 76 Wohnungen renoviert werden. Trotz einer Vereinbarung mit „Spolem“ konnten nur 10% der Aufträge durchgeführt werden.
Nach Sroka gelang es, den Abriss der Gebäude der Stadt aufzuhalten, die Verluste waren jedoch irreversibel. Die Bezirksbehörden hatten festgestellt, dass als Folge der angeblichen „Zerstörung des Krieges“ und durch „rücksichtslose Menschen“ nur ca. 60% der Gebäude die ersten Jahre unter polnischer Verwaltung überstanden hatten.
Vor den Wahlen zum Gemeinderat im Jahr 1961 wurde unter anderem folgendes von der Bevölkerung gewünscht: die Erneuerung der Wasserversorgung, die Vergrößerung des Gasnetzes und die Sanierung der ehemaligen evangelischen Kirche und deren Umwandlung in ein Kino. Zudem sollte die Busverbindung nach Frankenstein verbessert, sowie die Errichtung eines Gesundheitszentrums und eines Servicezentrums (Schuster, Schneider und Friseur) erreicht werden, auch ein zusätzliches Lebensmittelgeschäft und die Verbesserung der Versorgung im Dorf sah man als notwendig an. Wegen fehlender Mittel wurden Pläne für die meißten Vorschläge, wie z.B. die ehemalige evangelische Kirche, nicht umgesetzt. Jedoch wurden die Busverbindungen etwas verbessert und es wurde auch ein neues Lebensmittelgeschäft eingerichtet Das neu eröffnete Servicezentrum wurde wegen geringen Bedarfs bald geschlossen.
In den Jahren 1961 und 1962 wurden weitere größere Renovierungen von Gebäuden in Silberberg für insgesamt 700.000 Zloty durchgeführt; für weitere Instandsetzungen wurden jedoch keine Kredite vergeben. Weitere kleine Initiativen existierten seit 1956, die jedoch nicht zum Tragen kamen, da prinzipiell alle noch vorhandenen Gebäude stark renovierungsbedürftig waren, z.T. stand Wasser in den Kellern, die Gründungsmauern waren marode oder Pilzbefall zeigte sich vom Keller bis zum Dachgeschoß und so wurden die unbewohnten Gebäude z.T. als Stallbereich für Nutztiere gebraucht.
Ein anderes Problem waren die schlecht befestigten Hanglagen, die seit den frühen vierziger Jahren nicht mehr unterhalten wurden. Dadurch wurden die noch bestehenden Gebäude gefährdet. Des weiteren beschwerten sich die Einwohner, dass die Hauptkanalisation zu 90% blockiert war. Letztendlich wurde in dieser Zeit auch die evangelische Kirche nicht genutzt, sie wurde geschlossen. Weitere katastrophale Bedingungen zeigen sich in den Berichten einiger Einwohner. So mußte ein Bewohner sein Haus in der Sommerseite 14 räumen, da durch den Abriß eines Nachbarhauses, sein Haus einsturzgefährdet war. Ein anderer beschwerte sich folgendermaßen: „Wir zahlen Miete an die Stadt, aber wir bekommen nichts dafür, wir leben hier nur auf einem Müllhaufen“. Im Jahr 1965 kamen die ersten Pfadfinder ins „Dorf“; sie machten den ruinenmäßigen Zustand Silberbergs öffentlich und diskutierten die Probleme des Ortes. In der zerstörten und entvölkerten Stadt war die Möglichkeit, das kulturelle Leben zu organisieren, nicht groß. In den 1950er Jahren war ein beliebter Sportverein in Silberberg aktiv und der Verein der Polnischen Jugendbewegung informierte die Öffentlichkeit. Es gab dann auch ein provisorisches Kino, in dem einmal im Monat zwei Filme gezeigt wurden: „Sie sind mit Ihrem eigenen Stuhl ins Kino gegangen.“ Ein weiterer Fortschritt war die Einrichtung einer öffentlichen Bibliothek in Silberberg – sie nahm am 1. Januar 1960 seine Tätigkeit auf und vier Jahre später hatte es bereits 3700 Bände.
In der deutschen Zeit war Silberberg ein bekanntes Zentrum für Tourismus und Erholung im Eulengebirge. In einer Statistik aus dem Jahr 1948 werden für Silberberg acht nicht betriebene Ferienhäuser, zwei Hotels und die Hahnenkoppenbaude erwähnt. Auch werden für den Wintersport geeignete Gelände ausgewiesen. Nach der gleichen Quelle aus dem Jahr 1947 besuchten Silberberg jährlich ca. 1000 Menschen – aus welchen Gründen auch immer.
Das Interesse der Silberberger, den Tourismus zu entwickeln, schien nicht sehr ausgeprägt, da es wahrscheinlich noch zu viele existenzielle Probleme gab. So stellte z.B. ein Sonderausschuss der Gemeinde 1953 fest, dass die Hahnenkoppenbaude völlig zerstört sei, obwohl sie kurze Zeit vorher in einem völlig guten Zustand war, war sie nun abbruchreif: zerstört waren die inneren tragenden Wände, Decken, Böden, Türen, Fenster, Öfen, die Wasserversorgung, die Kanalisation und die Stromversorgung. Die Materialien wurden entfernt, und nur Trümmer von Ziegeln, Brettern und Trümmern blieben an Ort und Stelle (welche Verfasser der Rez. noch als überwachsenen Schutthaufen im Jahr 1974 identifizieren konnte).
Dieter Wachowitz (S. 104) bezeugte, daß erstmals im Jahr 1952 Sommerlager in Silberberg durchgeführt wurden. Drei Jahre später wurden in der ehemaligen (Längs-) Kaserne in der Oberstadt etwa 500 Gleiwitzer Kinder untergebracht. Darüber hinaus wurde in der Silberberger Grundschule ein Sommerlager für mehr als hundert Kinder organisiert. Die Lager wurden jedoch nur für zwei Monate im Jahr genutzt, während die Gebäude in den restlichen zehn Monaten leer standen. Erst Mitte der 1950er Jahre erschien die Erwähnung Silberbergs auch in den Führern der polnischer Tourismusverlage. Durch den Bericht, dass in der Festung ein Freund von Karl Marx, nämlich Wilhelm Wolff, in Haft gesessen hat und in Silberberg auch das Oflag VIIIb existierte, wurde Silberberg auch in den politischen Gremien bekannter. Daher wurde im Jahr 1955 in der Sommerseite 6 eine „Touristenstation“ mit zehn Betten eröffnet. Im Jahr 1957 übernahm die PTTK die „Villa Hubertus“ – auf dem Weg zum Donjon gelegen. Schon zwei Jahre später wurden in dieser Touristenherberge 80 Plätze im Sommer und 50 Betten im Winter angeboten. Der Verwalter Waclaw Malczewski begann in den 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die touristisch unterentwickelte Festung Silberbergs zu einer Attraktion zu entwickeln, um weitere Zerstörungen zu verhindern. Im Jahr 1964 eröffnete er eine eigene Touristenstation in der Sommerseite 3, während die Herberge „Villa Hubertus“ 1969 wegen ihres schrecklichen Zustandes für mehrere Jahre geschlossen wurde. Die größte touristische Investition in Silberberg in den 1960er Jahren war der Bau eines Ferienresorts auf dem Gebiet des ehemaligen Ziegeleisees, wo ein Kinderparadies mit Kanusport, Schwimmbad, Kinderbecken, Strand, Spielplätzen, Hütten und Campingplatz geschaffen wurde. Im Jahr 1965 wurde ein Stadtplanungs- und Aktivierungsprogramm erstellt. Sein Ziel war die „Transformation“ Silberbergs zu einem Touristengebiet für die Bevölkerung Niederschlesiens mit besonderem Schwerpunkt für die Bewohner des Kreises Frankenstein, der Stadt Reichenbach und der Stadt Frankenstein. Das Programm sah den Bau einer Anlage für den Wintersport vor (Ski und Rodeln), sowie die Entwicklung der Festung für den Tourismus und die Entwicklung der Infrastruktur und Gastronomie. Es war – nach Sroka – kein Zufall, dass Pfadfinder zur gleichen Zeit nach Silberberg kamen. Die Stadt begann sich langsam aus der „Vergessenheit“ zu befreien und bald begannen die „glücklichen 70er Jahre“.
Abschließend fasst Sroka seine Forschungen (S. 105f.) zusammen. Er stellt fest, dass Silberberg kein Einzelfall in Niederschlesien war. Viele Dörfer hörten fast auf zu existieren (was z.T. noch in der „Ruinenlandschaft“ zu sehen ist, wenn man sich die umliegenden – nicht so verkehrsgünstig gelegenen – Dörfer noch 2018 anschaut, AKA). Abschließend beklagt Sroka, dass „leider die polnische Verwaltung das von den vertriebenen Deutschen hinterlassene Eigentum nicht ausreichend sichern konnte“. In Silberberg wurden nach 1945 die wüst gelegenen und die geplünderten Gebäude zerstört. Finanzielle Möglichkeit zur Renovierung gab es nicht, da man nichteinmal die Kapazitäten saß, die Schuttberge zu entfernen. Nach 1945 wurden etwa 40% der Gebäude der Stadt zerstört. Eine kleine Stadt mit Merkmalen eines Zentralortes und deren Infrastruktur war administrativ den benachbarten, typisch landwirtschaftlichen Bedürfnissen der umliegenden Dörfer untergeordnet. Es hätte – als selbständig agierende Stadt – eine Chance für den Tourismus gegeben, jedoch lag Silberberg nach 1945 aufgrund der administrativen Situation am Rande des Touristenverkehrs.
Das „Tauwetter“ Mitte der 1950er Jahre verbesserte die Situation der Stadt etwas. Man begann über Silberberg zu sprechen und zu schreiben. Ihre Bevölkerung nahm signifikant zu (bis 65 % des Vorkriegsstandes). Trotzdem fehlten Mittel für Reparaturen und die Renovierung der Stadt – ein Konzept der Stadtsanierung historischer Stadtkerne – wie in Westdeutschland – existierte scheinbar nicht. In den 1960er Jahren wurde das touristische Potenzial schließlich verstärkt genutzt. Allerdings hat es erst eine deutliche Verbesserung in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts gegeben. Der Aufstieg der Stadt hing wesentlich mit dem Beginn der Aktivitäten der Pfadfinder in Silberberg zusammen – so Sroka.
Das sich eine Entwicklung nicht immer zum Positiven bewegt zeigt die Situation der Kasernen in der Oberstadt. Erst die Belegung der Kasernen durch die Pfadfinder Mitte der 60er Jahre sicherte deren Existenz und Ausbau. Nach den Wirren der „Wendezeit“ verfielen anfangs große Teile der Längskasernen – bis der Tourismus wiederentdeckt wurde und durch Eigeninitiative langsam aber sicher (?) – zwar nicht nach denkmalpflegerischen Kriterien – versucht wird, die noch erhaltene Bausubstanz zu nutzen und zu retten.
Dankenswerterweise hat Sroka etliche neue Quellen aus den 50er und 60er Jahren erschlossen (so z.B. das wichtige Protokoll aus dem Jahr 1953 über den Zustand der Bausubstanz in Silberberg). Für seine Fragestellungen hätte er jedoch auch viele der Quellen, die Soltysik in seinem Artikel im gleichen Tagungsband verwendet, nutzen können. Ein Defizit ist sicherlich die Nichtverwendung von deutschen Quellen (s.o.), auch verwundert es, daß Sroka das Offizierslager VIIIb auf dem Spitzberg nicht erwähnt, obwohl die in Polen heroisierten Fluchtversuche der polnischen Offiziere Silberberg landesweit bekannt machten. Zu stark erscheint auch der Entzug der Stadtrechte bezüglich der negativen ökonomischen Entwicklung Silberbergs bewertet zu werden. Eine konkrete Diskussion über die Gründe von Betriebsschließungen findet nicht statt – diese wäre jedoch für ein Verständnis des wirtschaftlichen Niederganges von Silberberg unerläßlich.
AKA 2019, Ullrich Masemann



REZENSION

Lukas Soltysik: Nationale Minderheiten und polnische Einwohner (Autochthone) in Silberberg nach 1945, 106-127. In: Thomas Przerwa, Gregor Podruczny: Festung Silberberg III. Stadt und Festung (Breslau 2010).
Łukasz Sołtysik: Mniejszości narodowe i polska ludność rodzima (autochtoniczna) w Srebrnej Górze po 1945 r., 106-127. In: Tomasz Przerwa, Grzegorz Podruczny: Twierdza srebrnogórska III. Miasteczko i Fortyfikacje (Wroclaw 2010).

 

Lukas Soltysik beschreibt in einem Artikel (in: SB3, S.106-127) die Verhältnisse in Silberberg der Jahre 1945 bis 1950. In einer wissenschaftlich aufwendigen Analyse hat er die vorhandenen Unterlagen in Silberberg, Frankenstein und Breslau ausgewertet. Eigene statistische Tabellen veranschaulichen die Nachkriegssituation. Sein Hauptaugenmerk legt Soltysik auf die Verhältnisse der Deutschen zu den Polen, den Prozeß der Vertreibung und den Zuzug der neuen polnischen Siedler aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten.
Zusätzlich beschreibt Soltysik weitere ethnische Gruppen, die sich in den 40er und Anfang 50er Jahren in Silberberg aufhielten. Dies waren die Roma und eine Gruppe von Ukrainern.

Besonders interessant ist die Überwachung und Schikanierung von zwei deutschen Familien („deutschstämmigen“), die Soltysik eingehend schildert. Es handelt sich um die Familien Wachowitz und Kansky, die wegen ihrer intensiven Westkontakte und ihrer vermeintlichen revanchistischen Einstellung von der polnischen „Stasi“ beobachtet und ausgehorcht worden. Die Akten des bis ins Jahr 1956 existierenden Sicherheitsdienstes MSW (Ministerium für innere Angelegenheiten – Ministerstwo Spraw Wewnętrznych) und des nachfolgenden Dienstes SB (Służba Bezpieczeństwa) – zuletzt gehörten dem SB, der ähnlich wie die ostdeutsche Stasi strukturiert war, über 24000 feste Funktionäre und ungefähr 90.000 inoffizielle Mitarbeiter an – wurden zum Teil ausgewertet. Allerdings verweist er darauf, dass detaillierte weitere Forschungen – besonders für den Bereich der Überwachung deutscher Familien durch den SB noch weitere Erkenntnisse bringen dürften (S. 127).
Über einige inoffizielle Mitarbeiter, die ehem. deutsche Staatsangehörige in den Focus nahmen, berichtet auch Soltysik.
Nach Soltysik bemühten sich die polnischen Behörden bis zum Jahr 1949, die deutschen Bürger so schnell wie möglich aus ihren Gebieten zu entfernen und in diesen Gebieten polnische Bevölkerung anzusiedeln. Ausnahmen galten für deutsche Spezialisten und Facharbeiter (z. B. die Minenarbeiter).

Interessant ist auch die reichhaltige polnische Literatur über diese Problematik seit 1990: B. Ociepka, Deutschland in Niederschlesien in den Jahren 1945-1970, Breslau 1994; P. Madajczyk, polnisches Deutschland 1944-1989, Warschau 2001; Deutschland in Polen, Band 1-4, herausgegeben von Borodziej, H. Lemberg, Bockowski, Warschau 2000-2001; S. Jankowiak, Deportation und Emigration der deutschen Bevölkerung in der Politik der polnischen Behörden in den Jahren 1945-1970, Warschau 2005.

Auf Silberberg bezogen hielten sich die Kriegsbeschädigungen im Ort in Grenzen – allerdings hat die Rote Armee die Bevölkerung drei Tage tyrannisiert, viele der Frauen vergewaltigt und die Bevölkerung ihrer wertvollen Habseligkeiten beraubt (S. 107). Nach diesen Untaten folgten andere Gruppen in die Stadt (Serben und Slowenen), die die Stadt weiter plünderten und z.T. bedingt durch Alkoholexzesse, Häuser besetzten und diese dann zerstörten (s. www.silberberg/com.de/Vertreibung).

Nach diesen Gruppen kamen die ersten Polen und schon am 21. Juli 1945 wurde Jerzy Habus als erster polnischer Bürgermeister ernannt (S.107). Immer mehr polnische Umsiedler kamen mit ihrem gesamten Hausrat nach Silberberg und vertrieben die Deutschen aus ihrem Eigentum. Zudem – so Soltysik – kamen noch weitere deutsche Flüchtlinge in den Ort, sodaß sich die Wohnungssituation und die Ernährungslage weiter verschlechterte. Im Herbst 1945 bestand nach der polnischen Verwaltung ein „dringender Bedarf für die Evakuierung“ (euphemistisch für Vertreibung, AKA) der deutschen Bevölkerung. Planungen aus dem Juni 1945, wonach Sonderabteilungen der polnischen Armee Vertreibungen durchführen sollten, wurden nicht realisiert (Soltysik S. 110).

Ein weiterer Plan für die Vertreibung der Deutschen wurde im September 1945 aufgestellt: Von Konzentrationspunkten/Sammelpunkten für die deutsche Bevölkerung aus Silberberg sollten per Eisenbahntransporte die Deutschen gen Westen abtransportiert werden (Soltysik S. 110). Daher wurden von Seiten der polnischen Verwaltung deutsche Register geführt. Es gab eine Prioritätenliste für die Vertreibung: an erster Stelle standen die NSDAP Mitglieder und ihre Familien (63 Familien mit 208 Personen), dann die deutschen Flüchtlinge (92 Familien mit 221 Personen), die in Silberberg Schutz suchten und folgend die normale deutsche Bevölkerung von Silberberg (416 Familien mit 1170 Personen) und zuletzt die noch vorhandenen Facharbeiter und Spezialisten.
Im August 1945 lebten im Bezirk Frankenstein 70586 Deutsche und 7919 Polen. Die schwierige Situation der Deutschen schildert Robert Felkel im Juni 1946 eindrücklich (s. www.silberberg/com.de/Vertreibung). Immer problematischer wurde die Situation durch den Zustrom weiterer polnischer Umsiedler bis September 1945. Soltysik zeigt in seiner Tabelle 1, dass die Zahl der Deutschen vom 31.7.45 bis 30.11.1945 konstant bei 1346 Personen geblieben ist, während die Anzahl der polnischen Siedler sich in diesem Zeitraum von 36 auf 280 Personen erhöhte. Von einer „Überbevölkerung“ dürfte man jedoch trotzdem kaum sprechen, da ja noch einige hundert Silberberger in Kriegsgefangenschaft oder vermißt waren (AKA). Nach polnischen Angaben waren Mitte November 1945 noch 600 Wohnungen von Deutschen bewohnt. Nach Soltysik (S. 109) gab es wegen fehlender Arbeit und fehlenden Wohnraum für die Polen Konflikte. Problematisch war es natürlich auch, dass oftmals die polnischen Neuankömmlinge Kleinbauern waren und so weder in qualifizierten Berufen arbeiten konnten noch eine handwerkliche Ausbildung hatten. Interessant ist die Mitteilung von Soltysik (S. 109, auch Tabelle 2), dass noch im Agust 1946 sich noch 428 Deutsche aufhielten, die Ende August in einem zweiten Vertreibungstransport aus ihrer Heimat geschafft wurden. Zu dieser Zeit waren bereits 513 Polen in Silberberg (236 Männer, 188 Frauen und 89 Kinder). In Tabelle 2 wird dies anschaulich – wenn auch nicht von den Zahlen den vorherigen Angaben entsprechend – dargestellt:
Die Anzahl der Deutschen in Silberberg reduzierte sich von 507 Personen im Juli 1946 auf 20 Deutsche in Silberberg (Stichtag 31.8.1946), am 15.10.1946 lag der Anteil der Deutschen bei 56 Personen, der der Polen bei 603 Personen (Akten der Samtgemeinde Schönwalde).
Widersprüchlich bleiben die Angaben der Listen der polnischen Verwaltung und der Listen der Vertreibungstransporte. Nach den polnischen Angaben gab es bis Anfang April 1400 deutsche Personen in Silberberg, nach den Vertreibungslisten wurde im April 1946 insgesamt 1500 Flüchtlinge in die Viehwaggons gepfercht (282 Männer, 720 Frauen, 498 Kinder, frdl. Mitteilung Dr. Pingel, Niedersächsisches Landesarchiv, Wolfenbüttel vom 12.7.2018) und im August 1946 nochmals 315 Personen (67 Männer, 165 Frauen, 83 Kinder: Soltysik S. 113-114).

Soltysik benennt für den 26. August 1946 eine Gesamtzahl von 1514 Deutschen, die aus der Samtgemeinde Schönwalde an diesem Tag vertrieben wurden, Quelle: Akten der Gemeinde) aus Silberberg, die am 25.8.1946 in Frankenstein auf dem Friedhof neben dem ehem. Hotel „Zum Elephanten“ bei strömenden Regen dort übernachten mußten (Doris Minale, Die Vertreibung aus Stadt und Kreis Frankenstein in Schlesien, 2018, S. 312).
Den verbliebenen Deutschen wurden restriktive Vorschriften auferlegt (Soltysik S. 110). Die Deutschen durften sich im Landkreis nicht frei bewegen, jeder Deutsche ab 14 Jahren mußte – gegen den Erhalt von Lebensmitteln – arbeiten. Zudem konnten Deutsche dorthin abgeordnet werden, wo die polnische Verwaltung Arbeitskräfte benötigte. Nachdem alle Deutschen vertrieben waren und die „zwangspolonisierten“ zu polnischen Staatsbürgern geworden sind lebten am 30.11.1946 – nach den Dokumenten des Landesamtes Repatriierung in Frankenstein – noch 812 Personen in Silberberg. Eine Liste der in Silberberg lebenden Bevölkerung gibt für den 28.11.1948 eine Anzahl von nur noch 428 Bewohnern an, diese setzten sich zusammen aus 62 „autochtonen“, 184 „repatriierten“ und 182 „umgesiedelten“ Personen. Damit ist die Schätzung der aus Silberberg Vetriebenen aus den frühen fünfziger Jahren (300 bis 400 Personen: s. www.silberberg/com.de/Vertreibung) realistisch. Soltysik (S. 114) erkennt einen Widerspruch in den Zahlenangaben der polnischen Verwaltung: “ Aus den statistischen Daten von 1947 geht hervor, dass in der Gemeinde Stoszowice (= Samtgemeinde Schönwalde) 148 Autochthone und 21 Deutsche lebten (siehe Tabelle 4). Während eine Volkszählung vom Oktober 1949 feststellt, dass die Anzahl der Deutschen zu diesem Zeitpunkt größer war.“

So ergeben sich für die drei Volkszählungen (28.2.1950; 30.5.1950, 1.11.1950) für Silberberg folgende Angaben:

Anzahl der „Autochthonen“: 41-39 Personen,

Anzahl der „Repatriierten“: 139 – 140 Personen;

Anzahl der „Umgesiedelten“: 104 – 286 (!) Personen.

Dies bedeutet, dass die Gesamtbevölkerung im Jahr 1950 bis zum November 1950 in Silberberg nur 284-286 Personen betrug, erst bei der Novemberzählung hat sich die Anzahl der umgesiedleten Bewohner fast verdreifacht (von 104 auf 286 Personen). Diese Zahlen zeigen, dass Silberberg zu Beginn der fünfziger Jahre extrem unterbevölkert war und die Vertreibung zu einem für die Stadt lebensbedrohenden Zustand führte.

Vor jeder Vertreibung erstellten die polnischen Behörden detaillierte Listen aller Deutschen. In Absprache mit dem Befehlshaber der sowjetischen Armee wurden weitere Listen zusammengestellt auf denen diejenigen Deutschen aufgelistet waren, welche als Fachkräfte noch gebraucht wurden. Die Listen wurden auch in den jeweiligen Betrieben von den polnischen Vorgesetzten zusammengestellt. In diesem Zusammenhang kam es im März 1946 auch zu Problemen, da in dem Betrieb „Elektrosignal“ in Silberberg durch ein Versehen die deutsche Belegschaft von den Vertreibungsplänen erfuhr (Soltysik S. 113). Über die durchgeführten Maßnahmen berichtet Soltysik leider nichts, nur das sich der polnische Chef Francis Wojcik bei seinen Vorgestzten für diesen Vorgang entschuldigen mußte.

Einige wenige deutsche Familien versuchten durch Annahme der polnischen Staatsbürgerschaft ihr Privateigentum zu retten. Soltysik gibt acht Familien bzw. Personen an (Wachowitz, Kansky (nicht von S. erwähnt), Matschke, Berger, Springer, Bittman (wahrscheinlich Bittner), Rösner, Adler, Brendel), die jedoch auch aus dem „Umland“ Silberbergs z.T. stammen sollen.

Die aktenkundig gewordenen Beschwerden von Josef Wachowitz spiegeln die schwierige Situation der ehem. Deutschen in Silberberg wieder. Konnten die Erwachsenen mit Anfeindungen rational umgehen, so war es bei den deutschstämmigen Kindern schwieriger. Auch erfahren wir dadurch, dass die Bezeichnung „deutsch“ für sich gestellt schon als Schimpfwort galt und eine ähnliche Bedeutung wie „Nazi“ innehatte. Beide Bezeichnungen wurden auf die Kinder durch Mitschüler am Frankensteiner Gymnasium angewendet. Die Beschwerden wurden zwar aufgenommen, jedoch anscheinend nicht weiter verfolgt (Soltysik S. 117).

Josef Wachowitz versuchte auch weiterhin Kulturwerte, die an die Vergangenheit erinnern, zu bewahren. So kümmerte er sich um den evangelischen und katholischen Friedhof und um die Festung. Solche Handlungen von J. Wachowitz und auch die bekannte gute Vernetzung von ehem. Deutschen in Silberberg und dem gesamten Kreis Frankenstein durch Wenzel Kansky führten zu einer argwöhnischen Behandlung durch die Polen und ließen die polnischen Sicherheitsbehörden aktiv werden. Nach Aussage von Soltysik (S.119) soll das „deutsche Nationalbewußtsein“ in den 50er Jahren sogar gewachsen sein und es gab zu dieser Zeit eine „starke und offene Identifikation mit der Bundesrepublik Deutschland“ (S.119). Silberberg wurde als „revisionistisches Zentrum“ angesehen und „Auffälligkeiten“ wie z.B. Kontakte mit Verwandten in Westdeutschland, Besuche und Geschenke aus dem Westen und der Besitz von deutschen Büchern führten zu geheimdienstlichen Aktivitäten. Zudem – so Soltysik – soll es neben „Hakenkreuzschmierereien“ zur Herabwürdigung des polnischen Gesellschaftssystems gekommen sein. Auch sollen sich einige die „Heimkehr“ der Deutschen gewünscht haben und die Oder-Neiße-Grenze nicht anerkannt haben. In diesem Zusammenhang geriet der ehem. Tscheche Wenzel Kansky in den Focus geheimdienstlicher Ermittlungen.

Kansky schon wohlbekannt als gerader und direkter Charakter hatte durch seine ambitionierte Tätigkeit als Schmied viele enge Kontakte zu den Deutschen in Silberberg und im gesamten Kreisgebiet. In der lokalen Gemeinschaft genoss er beträchtliche Autorität – so Soltysik (S. 121). Daher wurden drei Informelle Mitarbeiter des Geheimdienstes mit den Codenamen „Hela“, „Freund“ und „X-15“ auf die Familie angesetzt, um den Nachweis des aktiven Revisionismus zu ermitteln. Die „ungünstige“ Einstellung zum Kommunismus, die Grenzfrage, belauschte Gespräche in Gasthäusern und der rege Schriftverkehr mit dem Deutschen Roten Kreuz führten letztendlich zu einer Wohnungsdurchsuchung im Februar des Jahres 1961.

Neben etlichen deutschsprachigen Romanen und drei Fotokameras fand man auch das Buch „Die Stunde X – Mit Panzern in Polen und Flandern“ von Just Scheu aus dem Jahr 1941. Dieses Werk war der Anlaß, ein Strafverfahren gegen den fast 80-jährigen Kansky einzuleiten und ihn zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten zu verurteilen. Glücklicherweise hatte das polnische Regime kein Interesse, den Strafvollzug durchzuführen und entließ Kansky im Jahr 1962 in die Bundesrepublik Deutschland, wo er bei dem Heimattreffen der Silberberger in Gummersbach im selben Jahr herzlich begrüßt wurde.

Diese Schilderungen von Lukas Soltysik beleuchten eindrucksvoll und unter Verwendung bisher unbekannter Quellen die Situation der Deutschen und deutschstämmigen in der Nachkriegszeit in Silberberg.

Weitere Gruppen hat Soltysik nur am Rande erwähnt (S. 123ff.). Es handelt einmal um eine Gruppe von „Roma“ und einige Ukrainer, die sich spätestens seit dem Sommer 1946 in Silberberg aufhielten. Im Jahr 1949 soll es in der Samtgemeinde Schönwalde eine Gruppe von 75 Romas gegeben haben. Nach Soltysik (S. 124) soll es sogar einen Plan gegeben haben, Silberberg zu einer Roma-Siedlung zu machen – allerdings sprechen andere Studien gegen diese Annahme. Über das Verhalten der Roma wird auch – wenig positiv – von den Vertriebenen über die Jahre 1945 bis 1946 berichtet (s. www.silberberg/com.de/Vertreibung).
Nach Soltysik arbeiteten einige der Roma in einer Holzfabrik in Silberberg, andere machten Gelegenheitsjobs bei Bauern, spielten auf Hochzeiten und Partys oder handelten mit Pferden.
Trotz einer gewissen Distanz ist es polnischen und rumänischen „Silberbergern“ gelungen, einen gewissen Modus vivendi zu entwickeln . Dies bezeugt auch eine im Jahr 1949 gegründete Pfadfindergruppe, die aus 22 Roma-Kindern bestand.
Die Roma kamen aus einem Dorf namens Gorzyce. In den Volkszählungen bzw. Bewohnerlisten ab 1952 erscheinen die Roma nicht mehr. Ob sie in das Dorf zurückzogen oder sich assimiliert haben ist nicht bekannt. Bis zumindest in die 70er Jahre existierte noch eine Roma-Gemeinde in Frankenstein.

Die letzte Gruppe, die Soltysik bespricht, sind die Ukrainer (S. 125 ff.). Die Behördenangabe von 97 Familien im Kreis Frankenstein hält Soltysik für übertrieben und meint, dass es sich hierbei eher um die Gesamtzahl der ukrainischen Personen handelte. In der Gegend von Frankenstein sollen mehrere Dutzend Familien aus der Ukraine gelebt haben, sie kamen im allgemeinen aus den Ostgebieten im Zuge der Umsiedlung der polnischen Bevölkerung aus der UdSSR als polnische Bürger, jedoch waren anscheinend auch einige dabei, die aus dem Westen von der Zwangsarbeit oder aus Konzentrationslagern kamen. Auffallend – so Soltysik S. 126 – war, dass die Ukrainer sich schnell anpassten und als Polen gelten wollten. In Silberberg selbst hatten keine Ukrainer gelebt.

Abschließend läßt sich feststellen, dass der sehr gut recherchierte Artikel von Lukas Soltysik viele neue polnische Quellen vorlegt, die es wert sind, sie einmal noch genauer für spezielle Fragestellungen zu benutzen. So sind in den Transportlisten der Flüchtlingslager Mariental und Alversdorf etliche Ungenauigkeiten und Falschangaben zu entdecken. Ein Abgleich mit den polnischen Listen wäre notwendig und hochinteressant. Auch die „Stasi-Unterlagen“ der polnischen Geheimdienste, die anscheinend noch erhalten sind, sind es wert, aus anderen Perspektiven untersucht zu werden. Über die Tätigkeit und politische Arbeit der polnischen Behörden und der ersten Bürgermeister der polnischen Verwaltung sind augenscheinlich noch etliche Quellen im Archiv der Samtgemeinde Schönwalde vorhanden. Diese kritisch zu hinterfragen und ein detailliertes Bild der Nachkriegszeit zu vermitteln, ist eine der zukünftigen Aufgaben. Ein wesentlicher Verdienst von Lukas Soltysik ist es, diese Quellen „ausgegraben“ und für erste historische Fragestellungen benutzt zu haben.
U. Masemann, AKA im August 2018

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Das digitale Rezensionsjournal »Recensio Silberbergensis« – herausgegeben vom Silberbergarchiv (Alfred-Kollewe-Archiv) – wird regelmäßig Rezensionen von Aufsätzen über die Stadt und Festung von Silberberg auf dieser Seite veröffentlichen.